Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrtes Kollegium hier im Raum, liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer,
die Entwicklungen weltweit, in Deutschland und Sachsen beunruhigen sehr. Gerade in unsicheren Zeiten zeigt sich der Wert starker gesellschaftlicher Strukturen. Im letzten Monat war Steffen Mau zu Gast in Chemnitz. Der Soziologe legt genau hier den Finger in die Wunde: Er bescheinigt Ostdeutschland zu wenig Zivilgesellschaft, zu wenig Stiftungen, zu wenig ehrenamtliches Engagement. Mich hat das beschäftigt, weil er ja Recht hat. Und trotzdem will ich das so nicht stehen lassen. Denn gerade in den letzten Wochen hat sich die oft ungesehene Bürgergesellschaft in unserer Stadt vielfach gezeigt:
Zum Beispiel am 17. Oktober beim Stiftungstag der Kinder- und Jugendstiftung Johanneum. Diese war von den Nazis und der DDR-Zeit fast ausgelöscht. Trotzdem lebt diese alte Chemnitzer Stiftungstradition weiter – durch das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen.
Zum Beispiel am 18. Oktober bei einer Ausstellung im Moritzhof, wo es auch um den Lokalen Aktionsplan ging. Ich dachte ich kenne das alles, hatte aber noch nicht gesehen, dass es seit 2008 schon WEIT ÜBER 600 Bürgerprojekte sind, die Demokratie, Toleranz und ein weltoffenes Chemnitz voranbringen.
Zum Beispiel am 30. Oktober beim Bürgerpreis 2024 der Bürgerstiftung Chemnitz. Hier sieht man Initiativen, die nicht meckern und mit dem Finger auf andere zeigen, sondern gemeinsam aktiv werden – für ein lebendiges Miteinander.
Auch der jährliche Zuwendungsbericht, der jetzt veröffentlicht wurde, zeigt die enorme Vielfalt bürgerschaftlichen Engagements. Wir stellen als Stadtrat Mittel bereit, die sich in vielfachen, unbezahlbaren Mehrwerten multiplizieren.
Sichtbar ist die Stadtgesellschaft auch im Programm der Kulturhauptstadt, das Ende Oktober vorgestellt wurde: Gegenüber ursprünglich 60 Bidbook-Projekten werden nun MEHR ALS DOPPELT SO VIELE im Programm ausgewiesen – die meisten direkt an der Basis der Stadtgesellschaft entstanden. Die Kulturhauptstadt ist ein bürgerschaftliches Projekt.
Am Freitag hat die Freie Presse zur Diskussion geladen, wie die Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres ohne destruktive Störungen gelingen kann. Der OB hat dort etwas wichtiges betont: „Ich möchte nicht immer sagen, wogegen ich bin, sondern vor allem, wofür ich bin.“
Ja, ich wünsche mir einen Oberbürgermeister, der sich an die Spitze einer zivilgesellschaftlichen Bewegung stellt,
• FÜR einen respekt- und würdevoll Umgang miteinander, ohne Hass und Hetze,
• FÜR eine Stadt, die Menschen willkommen heißt – egal wo sie herkommen,
• FÜR eine Stadt, in der niemand Angst haben muss vor antisemitischen, fremdenfeindlichen oder queer-feindlichen Angriffen.
Der sich an die Spitze einer großen Mehrheit stellt, die deutlich macht, dass in einer europäischen der Kulturhauptstadt kein Platz für Intoleranz und rechtsextremen Spuk ist.
– es gilt das gesprochene Wort –