Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Herren Bürgermeister, werte KollegInnen, werte Gäste dieser Stadtratssitzung,
es ist heute eine besondere Haushaltssitzung. Wir ziehen nicht nur ein Resümee zum ersten Doppelhaushalt, wir blicken auch auf unsere Stadt und sehen die guten und die tragischen Entwicklungen und Ereignisse. Mit dem Blick auf die letzten Monate sehen wir heute auf eine Stadt, durch die ein tiefer Riss geht. Das tut keiner Gemeinschaft auf Dauer gut. Deshalb ist es unser Auftrag als Stadt- und Ortschaftsräte diesen Riss nicht weiter zu vertiefen, sondern alles dafür zu tun, dass der Zusammenhalt wieder gestärkt wird und die Menschen gern hier leben.
Zusammenhalt meint jedoch nicht, dass alle einer Meinung sein müssen, aber ohne Respekt für die Verschiedenheit der Auffassungen – wie sie heute auch in den der Änderungsanträgen der Fraktionen zum Ausdruck kommt – ist ein demokratischer Diskurs nicht wirklich möglich. Wir alle haben uns verpflichtet, das Beste für Chemnitz und seine BürgerInnen zu leisten – zur Verwirklichung diese Grundsatzes gehört auch die Abwägung zwischen Einzel- und Gesamtinteresse, zwischen der Erfüllung von Pflichtaufgaben und dem Erhalt und Ausbau von freiwilligen Leistungen.
In den letzten Jahren hat die Stadt mehrere Haushaltskonsolidierungsphasen hinter sich gebracht. Das wir heute positive Jahresabschlüsse haben, ist deshalb nur eine Seite der Medaille. Die massiven Sparmaßnahmen – insbesondere beim Personal und bei den freiwilligen Leistungen – haben zu einem Aderlass unserer wertvollsten Ressourcen geführt:
Das sind die Beschäftigten der Stadtverwaltung, das ist das Personal bei Freien Trägern, das sind die Beschäftigten bei den städtischen Betrieben und Gesellschaften und das sind die vielen Ehrenamtlichen, die unter oft schwierigen Bedingungen Angebote für alle ChemnitzerInnen aufrecht erhalten haben. Ihnen allen gilt heute unser aufrichtiger Dank!
Wer das Personal nur als Kostenfaktor sieht, begreift nicht, dass es hauptsächlich die Investitionen in die Köpfe und nicht die in Beton sind, die Wachstum, Wohlstand und Innovation in Zukunft sichern werden.
Deshalb spielt das Thema Personal unter dem Aspekt künftiger Kostendämpfungsmöglichkeiten, bei den Rot-Rot-Grünen Entscheidungen für den Doppelhaushalt eine wichtige Rolle.
Lassen Sie mich dazu einige wenige Beispiele nennen:
Mit der zusätzlichen Personalausstattung des städtischen Bauhofes sichern wir, dass kleinere Arbeiten wie Instandsetzungen von Gehwegen und Spielplätzen künftig schneller und unbürokratischer möglich sind. Kosten- und zeitaufwändige Vertragsverhandlungen mit Dritten entfallen ebenso, wie nicht vertretbare Kostensteigerungen, die Menschen merken schneller, dass die Stadt da ist, wo sie gebraucht wird: vor der Haustür, auf dem Spielplatz oder im Park.
Der Stadtrat hat im Juni 2013 das Radverkehrskonzept für die Stadt Chemnitz beschlossen. Allerdings mangelte es in den Folgejahren aufgrund des im Beschluss enthaltenen Finanzierungsvorbehaltes an ausreichenden Ressourcen für die Umsetzung. Nunmehr stocken wir nicht nur die Mittel für den Alltagsradverkehr deutlich auf, wir stellen auch zusätzlich 1, 5 AE im Stellenplan zur Verfügung. Die dann 2 Stellen sind für uns eine gute, allerdings weiter ausbaufähige Personalressource, um Chemnitz das ambitionierte Ziel der Verdopplung des Radverkehrsanteiles auf 12 % zu erreichen.
Neben weiteren Stellen im Sozialamt wollen wir die neuen Stelle eines Verhandlungsmanagements schaffen. Allein nach § 75 SGB XII müssen derzeit 112 neue Vereinbarungen geschlossen werden. Im Kern dieser Verhandlungen sehen insbesondere Kostensatzverhandlungen mit Trägern, die künftig aller 2 statt bisher aller 5 Jahre neu verhandelt werden müssen. Diese Aufgabe kann nicht nebenbei erledigt werden. Nach unserer Auffassung sparen wir künftig Geld, wenn dieses Vertragsmanagement fachgerecht unter kaufmännischen Aspekten realisiert wird. Angesichts der steigenden Kosten beim Einkauf der Leistungen Dritter ist das auch eine Option für das gesamte D5.
Die insgesamt nach wie vor hohe Anzahl von Befristungen in der Stadtverwaltung kann uns nicht zufrieden stellen. Damit die Stadt auch künftig ein attraktiver Arbeitgeber bleibt und im Wettstreit um Fachkräfte nicht auf der Strecke bleibt, müssen Befristungen die absolute Ausnahme wie etwa für zeitlich begrenzte Projekte oder Modellversuche bleiben. Weiter ist die Stadt in der Pflicht, Tarifsteigerungen auch bei den Freien Trägern zu berücksichtigen – auch diese Beschäftigte haben Anspruch, von der Lohnentwicklung zu profitieren.
Verständlicherweise führt die gute Haushaltslage zu einer Vielzahl von Investitionswünschen. Aber die Möglichkeiten, dass aus der schönen neuen Welt auf dem Papier auch eine in der Realität wird, sinken mit jeder beschlossenen aber nicht realisierten Maßnahme.
Eine bedeutsame Ursache für die hohen Haushaltsreste liegt in der ungenügenden Vorbereitung von Baumaßnahmen zum Zeitpunkt der Einstellung in den Haushaltsplan – das ist ein immer wieder kehrender Hinweis des Rechnungsprüfungsamtes zu den Jahresabschlüssen. Zeitlich befristete und nicht immer am Bedarf der Kommunen ausgerichtete Förderprogramme sorgen für zusätzlichen Druck.
Darüber hinaus ist das Volumen der neuen Maßnahmen zuzüglich der übertragenen Haushaltsreste immer weniger in Einklang mit den in der Bauwirtschaft zur Verfügung stehenden Ressourcen zu bringen. Auch das schreibt uns das Rechnungsprüfungsamt ins Stammbuch.Die wichtigste Frage ist heute nicht mehr, wie viel Geld wir zum Beispiel für Investitionen in Brücken, Straßen und andere Infrastruktur einstellen und wie wir das finanzieren – zunehmend wichtiger ist die Frage, welche Ressourcen wir brauchen, um die Maßnahmen auch zeitnah zu realisieren.
Die wichtigsten Infrastrukturinvestitionen sind die neu zubauenden Schulen, Kitas und die im letzten Doppelhaushalt beschlossenen Investitionen in die sportliche Infrastruktur. Das wir die gesetzten Ziele schaffen, liegt wesentlich auch an uns. Stärker als bisher muss der Stadtrat ein verlässlicher Partner bei der Realisierung von Baubeschlüssen sein. Wer einen Blick in die regelmäßige Berichterstattung des Baudezernates wirft, sieht, welche gewaltige Arbeit die MitarbeiterInnen leisten. Verspätete Beschlussfassungen des Stadtrates – Schulnetzplanung und ständige Nachbesserungen; immer wieder neu aufgemachte Diskussionen zu Standortfragen – Bernsdorfer Bad; widerrufen von bereits gefassten Entscheidungen – Probebühne Theater, binden Kapazitäten und sorgen für berechtigten Frust, wenn dann die gefassten Beschlüsse wieder auf die Seite gelegt werden.
Daraus sollten wir lernen:
- Zurückhaltung mit neuen Großprojekten ohne den entsprechenden Planungsvorlauf und Berücksichtigung bereits gefasster Beschlüsse
- Aufstockung des eigenen Personals im Bau- und Planungsbereich
- Verstärkung der Zusammenarbeit mit Dritten
- Professionalisierung des Projektmanagements
Gerade mit dem Blick auf den letzten Punkt schließt das eine ernsthafte Prüfung des Vorschlags der Verwaltung zur Gründung einer Kommunalbaugesellschaft als 100% Tochter der GGG ein.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Ich wünsche der heutigen Haushaltsdiskussion einen guten Verlauf und Beschlüsse zum Wohl der Chemnitzerinnen und Chemnitzer!
Petra Zais, Stadträtin
Es gilt das gesprochene Wort.