Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2025/2026

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrtes Kollegium hier im Raum, liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer,

es ist eine enorme Herausforderung, unter den gegenwärtigen Bedingungen einen Stadthaushalt für dieses und nächstes Jahr aufzustellen. Wir als BÜNDNISGRÜNE Fraktion sehen uns aber dazu in der Lage. Wir sind auch zu schweren Entscheidungen bereit, wenn diese wirklich notwendig sind, um Schlimmeres abzuwenden. Denn das war und ist die Leitlinie unseres Handelns: Uns nicht wegducken, verlässlich Verantwortung übernehmen, funktionierende Lösungen entwickeln, über politische Grenzen hinweg tragfähige Kompromisse aushandeln und dabei immer eine klare Haltung bewahren.

Leider scheint dieses Politikverständnis immer mehr verloren zu gehen. Dies zeigt sich in der unglaublichen Doppelmoral der aktuellen Debatte um die Staatsverschuldung. Denn es sind ja nicht unsere Stadtratsentscheidungen, die uns in diese schwere Lage gebracht haben, in der wir uns heute befinden, sondern die unzureichende Finanzierung durch Bund und Land. Eine Pflichtaufgabe nach der anderen wurde den Kommunen übertragen, ohne dass eine ausreichende Finanzierung erfolgt. Seit Jahren kämpfen wir BÜNDNISGRÜNEN für eine Reform der Schuldenbremse auf Bundes- und Landesebene. Denn nur so werden auch Kommunen wie unsere Stadt wieder handlungsfähig. Jetzt ist der Zeitpunkt für eine echte Reform der Schuldenbremse, um die dringend notwendigen Investitionen in wirtschaftliche Entwicklung, in Bildung, in den Klimaschutz, in moderne Infrastruktur zu ermöglichen. Geschieht das nicht, hinterlassen wir der nächsten Generation eine nicht mehr tragbare finanzielle Last.

Seit Jahren wird diese dringend notwendige Reform, insbesondere von der CDU, verweigert – mit gravierenden Folgen: Brücken sind bereits zusammengebrochen, Schulen fallen auseinander. Wir wurden und werden für unsere Reformvorschläge diffamiert und bekämpft. Kaum sind die Wahlen in Land und Bund vorbei, macht die Union in ihrer rigiden Finanzpolitik eine 180-Grad Kehrtwende. Ein 500-Milliarden-Sondervermögen für teure Wahlgeschenke und die Lockerung der Schuldenbremse sind ganz plötzlich kein Problem mehr. Ich empfinde dies als eine Verhöhnung all der kommunalen Mandatsträger:innen, die die ganze Zeit den Rücken hinhalten mussten für die Folgen dieser sturen ideologischen Verweigerung.

  • Denn genau wegen dieser Verweigerung waren die Kommunen gezwungen, ihre Haushalte immer nur an Sachzwängen und verfügbaren Budgets auszurichten, nicht aber an den Handlungsnotwendigkeiten für die Zukunft.
  • Wegen dieser Verweigerung konnte auch in unserer Stadt zu wenig investiert werden: In Gebäudeffizienz, in bezahlbare Energieträger, ins Kanalnetz, in den Erhalt der Brücken – mit dem Ergebnis, dass wir nun hohe Kosten haben für die Stadt, die Unternehmen und die Bürger.
  • Wegen dieser Verweigerung wurde unzureichend in eine moderne Verwaltung investiert. Die Potenziale der Digitalisierung wurden nicht genutzt. Dadurch haben wir jetzt Mehrbelastungen und unnötige Bürokratie.
  • Und welche Folgen unzureichende soziale Prävention hat, ist doch auch hinlänglich bekannt. Überall in Deutschland sehen sich Stadträte zum Beispiel gezwungen, bei der Jugendarbeit und der Sozialen Arbeit zu kürzen, weil das freiwillige Leistungen sind. Und alle wissen dabei, wie absurd diese Einsparungen sind, weil sie in Folge sehr schnell zu höheren Kosten führen, zu geringeren Steuereinnahmen und am Ende zu einer sinkenden Attraktivität der gesamten Kommune.

Und deshalb fragen wir, was denn nun die Verhandlungsgrundlage für unsere Haushaltsdiskussion sein soll? Sollen wir heute über nicht zu verantwortende Kürzungen, Einschnitte und Schließungen entscheiden, um auf die gnädige Genehmigung der Landesdirektion zu hoffen? Sollen wir die kulturelle und soziale Infrastruktur in großen Teilen kaputtsparen, während auf Bundesebene die finanzpolitischen Weichen gerade neu verhandelt werden?

Nun hat Herr Burkhardt keine Glaskugel und Frau Härtel und ihrem Team können wir dieses Dilemma auch nicht anlasten. Sie sind an den aktuell geltenden Rechtsrahmen gebunden, müssen den Haushaltsausgleich irgendwie herstellen, obwohl weder ein Landeshaushalt noch ein Finanzausgleichsgesetz vorliegt. 

Aber wir sind auch nicht mehr bereit, nur mit dem Rücken an der Wand zu stehen und das angeblich Unvermeidbare mit hängendem Schultern abzunicken. Deshalb fordern wir die Verwaltungsspitze auf, die untragbaren Verhältnisse der Kommunalfinanzen nicht länger hinzunehmen, sich mit anderen Kommunen zusammenzuschließen und eine bedarfsgerechte Mittelzuweisung von Bund und Land einzufordern – notfalls auch mit juristischen Schritten. Auf das weit verbreitete Klagelied über die mangelhafte Finanzausstattung muss jetzt endlich auch mal eine echte Verfassungsklage der Kommunen folgen.

Jenseits der fehlenden bedarfsgerechten Finanzierung durch Bund und Land müssen wir aber auch selbst unsere Hausaufgaben in Chemnitz machen:

Als erstes müssen wir uns besser auf Förderprogramme vorbereiten. Denn in dem Moment, wo die neue Bundes- oder Landesregierung dringend benötigte Fördermittel bereitstellt, müssen die Ämter in der Lage sein, die Eigenmittel darzustellen. Weil sich die häufig kurzen Zeitfenster der Programme dann schnell wieder schließen und die Fördermittel an Chemnitz vorbeifließen. Hier muss die Stadt wesentlich flexibler werden, zum Beispiel mit einem dezernatsübergreifendem Eigenmittelpool zur Kofinanzierung von Förderprogrammen.

Klimaschutz und Klimaanpassung sind die wichtigste Haushaltskonsolidierung. Denn wer hier zu wenig investiert, zahlt später ein Vielfaches drauf. Jetzt müssen alle geeigneten städtischen Dach- und Freiflächen vermehrt für Erneuerbarer Energien genutzt werden. Chemnitz ist hierfür ein guter Standort. Wir könnten Einnahmen aus Pacht und Ertragsbeteiligungen erzielen oder die Energie selbst nutzen. Auf Schulen oder Schwimmbädern erzeugte Solarenergie senkt bereits jetzt die Verbrauchskosten enorm. Eine städtische Bürgerenergiegesellschaft könnte bei der Finanzierung der notwendigen Investitionen einen wichtigen Beitrag leisten. Und warum wird eigentlich die Bereitstellung des städtischen Grundstückes für den Windpark Euba weiterhin verweigert? Dies Blockade verhindert Einnahmen, die sich über die Jahre auf Millionenbeträge summieren. Darauf können wir in der aktuellen Situation doch nicht einfach so verzichten!

Auch das hiesige Gebührenniveau der Parkraumbewirtschaftung und der Anwohnerparkzonen liegt weit unter dem anderer Städte. Das ist angesichts der Haushaltslage nicht mehr vermittelbar. Auch nicht, dass wir in Jahnsdorf einen Flugplatz mit sehr günstigen Start- und Landegebühren aus dem Stadthaushalt subventionieren sollen, gleichzeitig aber Bus- und Bahnlinien, auch für den Schülerverkehr, gravierend zusammenstreichen. Hier müssen wir uns doch mal ehrlich machen, was Daseinsvorsorge im Bereich Mobilität in erster Linie bedeutet.

Und bevor wir im Kulturhauptstadtjahr anfangen, die kulturelle Vielfalt in unserer Stadt zu rasieren, sollten wir darüber reden, alle gleichartigen Aufgaben im Bereich der Verwaltung, des Personals oder der IT zum Beispiel in einer Kulturholding zusammenzuführen, um die Defizite der städtischen Unternehmen im Kulturbereich zu verkleinern. Insgesamt sind wir BÜNDNISGRÜNEN auch bereit, den Weg eines sensiblen und schrittweisen Stellenabbaus mitzugehen. Aber wir sind nicht bereit, der Verwaltung dafür pauschale Freibriefe zu erstellen. Denn nicht alles, was an Personalkosten eingespart wird, führt zu Kostensenkungen. Oft ist in der Vergangenheit das Gegenteil eingetreten: Ausgliederungen oder Stellenstreichungen, die wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen oder soziale Ungleichgewichte verstärken, sind mit uns nicht zu machen.

Und als BÜNDNIS 90 sind wir auch nicht bereit, uns um den Preis marginalster Einsparungen an Umweltzentrum und Lila Villa zu vergreifen. Das wäre für uns ein Verrat an der Bürgerbewegung von 1989 in unserer Stadt.

Meine Damen und Herren,

es geht um viel mehr als nur um finanzielle Stabilität der Stadt. Wir müssen abwägen und die Weichen für eine lebenswerte und wirtschaftlich starke Zukunft richtig stellen – indem wir zuallererst gemeinsam für eine bedarfsgerechte Finanzausstattung der Kommunen kämpfen. Wir müssen kluge und rechtzeitige Vorsorge für erwartbare Kostensteigerungen treffen. Und wir müssen alle Prozesse in Verwaltung und städtischen Unternehmen effizienter und bürgerfreundlicher ausgestalten. Wir werden uns dabei nicht in die Rolle der Vollstrecker von Kürzungen drängen lassen. Wir stehen zu unserer Verantwortung, aktiv für eine zukunftsfähige Stadt zu streiten.

– es gilt das gesprochene Wort –

Datum: 12.03.2025

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