Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, sehr geehrte Gäste,
am 25.11.2015 habe ich von diesem Pult aus folgenden Satz gesagt: Pestizide gehören nicht ins Essen, sie gehören nicht ins Wasser, sie gehören nicht auf unsere Sportplätze und Schulhöfe. An diesem Tag beschlossen wir im Rat mit großer Mehrheit, dass Chemnitz als eine der ersten Städte in Deutschland kein Glyphosat mehr einsetzt. Das war ein guter Beschluss, ein weiser Beschluss, dem mittlerweile viele Kommunen gefolgt sind.
Ich möchte heute nicht wieder im Detail auf die Auswirkungen von chemischen Herbiziden eingehen. Mittlerweile sind die meisten Menschen darüber aufgeklärt.
Nur ein Beispiel: Es regnet und Glyphosat wird von Feldern und Wegen in den nächsten Teich gespült. Das Unkrautgift ist auch für Gewässer hochtoxisch, das ist mittlerweile bewiesen. Je nach Dosis vernichtet es im Wasser nahezu alles, was darin lebt und wächst – ob nun Fische, Molche, Frösche, Algen oder Wasserpflanzen. Der Mensch ist nun zwar kein Frosch, doch was einen Frosch tötet, geht auch am Menschen nicht spurlos vorüber.
Sehr geehrte Damen und Herren,
manche von uns bringen ja mitunter ihren Beruf mit in den Stadtrat. Herr Müller als Eisenbahner, Herr Hopperdietzel als Polizist oder Frau Patt als Anwältin. Das will ich heute auch mal tun. Ich bin ausgebildeter Landwirt und bewirtschafte derzeit fast 100 ha. Ich weiß also auch, wie schwer Umstellungen in der Landwirtschaft sind, zudem dauern sie oft Jahre.
Aber ich kann ihnen auch versichern, dass es nicht unrentabel ist, wenn man auf chemische Herbizide verzichtet – und da spreche ich aus eigener, langjähriger Erfahrung.
Schon 2015 habe ich von dieser Stelle aus gesagt, dass insbesondere im urbanen Raum auch die Landwirtschaft zukünftig auf chemische Herbizide verzichten muss. Im urbanen Raum erstrecken sich Wohngebiete, Kleingärten, Entwässerungsanlagen bis an die Grenzen der Felder – so dass eine direkte Beeinflussung unseres Lebens durch die Landwirtschaft und damit auch durch Herbizide erfolgt. Und die Menschen haben Angst vor Herbiziden. Nicht nur die Felder werden plötzlich gelb, sondern hin und wieder auch Teile ihrer Gärten.
Aber man weiß ja, wie es mit Aufforderungen auf Freiwilligkeitsbasis ist – sie verhallen oft ungehört. Auch deshalb haben die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute diesen Antrag eingebracht, in welchem wir lange Übergangsfristen einräumen. Wir sprechen hier von mindestens vier Jahren, die Zeit von 2015 mit hinzugerechnet, sind es schon mindestens 6 Jahre.
Darüber hinaus bietet die Stadt Chemnitz den Bauern, die städtisches Land pachten, sehr gute finanzielle Konditionen. Der durchschnittliche Pachtpreis stadteigener Flächen beträgt ca. 100 Euro pro Hektar. In Sachsen liegt der Durchschnittspreis bei ca. 200 Euro. Die BVVG – die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft – die auch der größte Verpächter von Flächen in den neuen Bundesländern ist, verlangt durchschnittlich 385 Euro pro Hektar.
Wenn ein Landwirt also 100 ha Chemnitzer Fläche pachtet, bezahlt er ca. 10.000 Euro pro Jahr. Würde er es bei der BVVG pachten, wären es 38.500 Euro. In Chemnitz spart er damit ca. 28.000 Euro. Das ist eine große Summe, welche der Bauer für eine ökologischere Bewirtschaftung der Felder einsetzen könnte. Und darüber hinaus gibt es noch zahlreiche Fördermöglichkeiten bei einem Verzicht auf chemische Herbizide.
Deshalb möchten wir auch, dass Chemnitz den Landwirten einen finanziellen Anreiz zur Umstellung bietet: Wir stellen uns langfristig sehr günstige Pachten vor und dafür einen Verzicht auf chemische Herbizide.
Fakt ist, dass chemische Herbizide in einem hohen Maß für das Insektensterben verantwortlich sind. Es fehlen zunehmend die Pflanzenbestäuber, aber auch die Nahrungsgrundlage für Singvögel, die wiederum ihren Platz in der Nahrungskette haben. Ein paar blühende sogenannte Unkräuter wie Mohn- oder Kornblumen sind also nicht nur schön anzuschauen, sondern auch äußerst wichtig für das ökologische Gleichgewicht.
Das Schlimme ist ja, dass die chemischen Herbizide mittlerweile zum großen Teil zweckentfremdet eingesetzt werden. Nicht mehr nur für die unbedingt notwendige Unkrautbekämpfung, sondern um Getreidefelder zu einem genau bestimmten Zeitpunkt zur Reife zu bringen. Die frisch im Herbizid getränkten Ähren werden dann geerntet. Damit muss endlich Schluss sein.
Und wer verdient denn nun weltweit am besten an chemischen Herbiziden? In jedem Fall nicht die Bauern – es sind doch eher Großkonzerne wie Monsanto, Bayer und Co., die daran reich werden. Sie liefern die passgenauen genetisch veränderten Pflanzen gleich mit.
Es gibt Alternativen zu chemischen Herbiziden. Aber sie haben gegen die auf Profit-Maximierung ausgerichtete Strategie der Großkonzerne keine Chance. Die einfachste Alternative ist das Pflügen oder eine kluge Fruchtfolge. Wer es etwas einfacher haben möchte, wird auch fündig: In Italien wurde jetzt von der preisgekrönten Chemikerin und Umweltschützerin Catia Bastioli ein Bioherbizid auf Basis von Distelölen entwickelt. Gerade wird damit begonnen, es in größerem Stil zu produzieren. Einfach mal probieren.
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
bitte unterstützen sie unseren Antrag, wie es viele Chemnitzer Bürgerinnen und Bürger sowie Vereine und Verbände auch tun. Die Briefe und E-Mails sind Ihnen in den letzten Tagen zugegangen.
Lassen Sie uns heute den Nachhaltigkeitsgedanken weiter fördern – ganz im Sinne der Chemnitzer Carlowitz-Gesellschaft – auch wenn wir diesmal nicht die ersten sind, Rostock beispielsweise war mit einer ähnlichen Regelung schneller.
Danke.
Rede von Thomas Lehmann zum Antrag „Chemnitz glyphosatfrei“ von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Stadtrat am 07.03.2018