Redebeitrag von Christin Furtenbacher zum Antrag der BSW-Fraktion und AfD-Stadtratsfraktion Chemnitz zu den geplanten Kindergartenschließungen
Sehr geehrter Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeister*innen, sehr geehrte Stadträt*innen, liebe Gäste,
ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wo ich anfangen soll.
Ein so großes uns wichtiges Problem, dass es zu lösen gilt und demgegenüber diese Veranstaltung hier, die allein auf Aufmerksamkeit und Inszenierung ausgelegt ist, uns in der Lösung aber keinen Schritt voranbringt und keine neuen Erkenntnisse gegenüber der letzten Jugendhilfeausschusssitzung bringen wird – dem Ort, wo die fachliche Debatte hin gehört. Stattdessen bindet sie Geld von Steuerzahlern und Zeit, die an anderer Stelle deutlich sinnvoller investiert wären.
Unser Beitrag dazu, dass diese Debatte heute tatsächlich den Kindern in unserer Stadt zugutekommt, ist dass wir als Fraktion heute unser Sitzungsgeld an die Chemnitzer Jugendstiftung Johanneum spenden.
Seit Ende September sind wir in einem intensiven Prozess, um Lösungen für ein weiterhin stabiles und verlässliches, gutes Kita-Angebot zu entwickeln. Ein Angebot, das für Kinder und Familien gut ist, den Bedarfen, wie auch den finanziellen Rahmenbedingungen entspricht.
Wir sind nicht nur für die Entscheidungen gewählt, die uns Freude und Freunde machen und sich gut verkaufen lassen, sondern um kluge und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Niemand handelt hier leichtfertig. Da hier offenbar aber genau dieser Eindruck von Leichtfertigkeit geprägt werden soll, will ich dem hier auch im Sinne der Stadtverwaltung wiedersprechen.
Mein Ansatz und Herangehen ist, im direkten Austausch mit den Betroffenen und Expert*innen einen bestmöglichen Überblick über die Lage zu erhalten, um dann Lösungen auszuloten und am Ende eine gut abgewogene, vernünftige Entscheidung treffen zu können. Das habe ich in den letzten Wochen einer hohen Taktung von Gesprächen mit Eltern, in Beratungen und Ausschusssitzungen getan, während Teile der einreichenden Fraktionen vielen wichtigen Treffen ferngeblieben sind.
Ihr Ansatz ist – werte Kolleg*innen vom Bündnis Sarah Wagenknecht: Eine Entscheidung zu treffen, die möglichst viel Zuspruch verspricht. Sie haben sich von Anfang an klar festgelegt, keinen Kita-Schließungen zuzustimmen und das ausdrücklich im Treffen mit Elternvertreter*innen betont. Wenn jetzt etwas anderes gesagt wird, ist das höchst fragwürdig. Und nun instrumentalisieren sie diesen Stadtrat, um damit nochmal richtig aufzutrumpfen.
Wahrscheinlich ist ihnen – das gestehe ich ihnen ja zu – wirklich nicht klar, dass eine Stadtratssitzung nicht der Raum ist für gründliche, fachliche Auseinandersetzungen, aus denen Lösungskonzepte entstehen. Das haben die antragstellende BSW-Fraktion auch schon in anderen Debatten gezeigt, dass es hier massiv an Erfahrung und Know How für konstruktive Ratsarbeit fehlt.
Aber das Problem – und das werfe ich Ihnen vor – ist ein ganz anderes: Sie wollen gar nicht konstruktiv nach Lösungen suchen. Sie haben eine vorgefertigte Meinung – „keine Kitaschließungen!“ – und basta. Sie als Bündnis Sarah Wagenknecht wollen weder Verantwortung übernehmen, noch sich an der gemeinsamen Lösungsfindung beteiligen. Sie suchen nur die Bühne, um die Stimmung anzuheizen. Das ist Populismus auf Kosten der Steuerzahler*innen, die diese Sitzung finanzieren müssen.
Nun ist es so. Sie haben ihre Rechte als Stadtratsfraktion genutzt. Wir sind alle da. Umso wichtiger ist nun, Ihrer Empörung ein differenziertes Bild über die Lage entgegenzusetzen. Dies hier ist mein Beitrag dazu:
- Zehn Kitas auf einen Schlag zu schließen, ist ein dermaßen heftiger Einschnitt. Wir wollen das in dem Umfang nicht mittragen und stattdessen einen kleineren Schritt gehen, um flexibel zu bleiben.
- Die Lösungsansätze, die sich für die Zusammenlegung von Kitas auf dem Weg befinden, wo Kinder mit Personal und Konzept in ein anderes Haus miteinziehen und sich lediglich der Standort immer noch wohnortnah ändert, wollen wir weiterverfolgen.
- Für die Innenstadt-Kita drängen wir auf eine Lösung für das Lärmschutzproblem und die Erhaltung der Kita. Alles andere wäre städteplanerischer Wahnsinn. Wir wollen, dass Menschen in der Innenstadt wohnen und haben etliche Neubauten dafür. Gerade Innenstadt-Bewohner*innen leben oft ohne Auto und benötigen ein wohnortnahes Kita-Angebot.
- Ähnlich bei den Uni-Kitas. Hier fordern wir Stadt und Land auf, den Mietvertrag um mindestens 10 Jahre zu verlängern. Studierende mit Kind sind in einer besonderen Situation und benötigen ein uninahes, bedarfsgerechtes Angebot. Und auch hier geht es um städteplanerische Vernunft. Hier entstehen Start-ups, ein Wasserstoffzentrum mit überregionaler Bedeutung. Leute, die dort arbeiten – Leistungsträger*innen, die oft 40 Stunden und mehr arbeiten – brauchen ein gutes arbeitsplatznahes Kita-Angebot, um Job und Familie unter einen Hut zu bringen.
- Für alle weiteren Kitas wollen wir genau hinschauen. Hier fordern wir die Stadt auf, uns zur Vorbereitung des Haushaltes vorzulegen, wie hoch die Kosten für einen Weiterbetrieb gegenüber einer Schließung wären. Unser Ziel ist, mit maßvollen Überkapazitäten Kindern mehr Platz zum Spielen, Lernen und Schlafen zu schaffen und Flexibilität zu erhalten, wenn Kinderzahlen wieder steigen.
- Für auslaufende Kitas braucht es gute und Kita-individuelle Konzepte. Maßgabe muss sein, dass die Betreuungsqualität inklusive Öffnungszeiten, Personalausstattung bis zum Schluss gesichert ist. Das ist das Mindeste, was wir den betroffenen Familien und Erzieher*innen schuldig sind.
- Ein letzter Punkt, der über die akuten Entscheidungen hinaus geht: Im Krippenbereich sind in Chemnitz gegenüber anderen sächsischen Städten viele Kinder nicht in der Kita. Gleichzeitig wissen wir, dass gerade der frühe Kita-Start dazu beiträgt, dass Kinder sich sprachlich und motorisch gut entwickeln und Familien in schwierigen Lebenslagen frühzeitig Unterstützung erhalten. Wir sprechen hier über Prävention, die dringend nötig ist, wenn wir die besorgniserregenden Entwicklungen der Hilfen zur Erziehung sehen. Wir wollen, dass keinem Kind der Kita-Besuch verwehrt bleibt, weil z.B. das Geld fürs Busticket fehlt. Dem sollte die Stadt nachgehen und herausfinden, welche Hürden Eltern im Weg sind, die ihr Kind an und für sich gern in die Krippe bringen würden. Denn die Frage, wie wir die Auslastung steigern können, um vorhandene Plätze zu besetzen, anstatt sie zu streichen, kommt in der bisherigen Debatte viel zu kurz.
Zuletzt möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Danke zu sagen: an die Stadtverwaltung, die hier viel Kraft reinsteckt, um einen gemeinsamen Weg zu finden. Danke an meine Kolleg*innen von SPD, LINKE und CDU/FDP für die konstruktive und engagierte Zusammenarbeit in der Sache. Danke an alle Eltern, die sich so für ihre Kita engagieren und dabei super fair und verantwortungsvoll mit uns zusammenarbeiten!
– es gilt das gesprochene Wort –